Samstag, 30. Januar 2010

Lebensfreude

Wo ist sie geblieben? Wann hat sie angefangen, sich hinter dieser Trägheit in mir zu verbergen? Starr sitze ich auf meinem Sessel, die Beine übereinander geschlagen, die Finger halten sich gegenseitig fest. Ich bewege mich nicht, nur meine Füße berühren sich selbstvergessen und streicheln einander.
Gerade habe ich eine Anekdote aus meinem Leben zum Besten gegeben, nein, ich habe etwas über eine frühere Freundin erzählt… jetzt stehen da Fragen im Raum: „Warum erzählst du mir das? Was möchtest du von mir?“. Ich denke nach. Warum ist mir diese Geschichte gerade jetzt eingefallen und warum habe ich sie erzählt? Ich habe keine Ahnung! Vielleicht wollte ich die Stille unterbrechen, die hier im Hotelzimmer herrschte, vielleicht wollte ich vermeiden über etwas Tiefsinniges, Hintergründiges zu sprechen. Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. „Deine Geschichten machen mich immer so müde!“ Die Worte schweben langsam durch den Raum. Ich bin sprachlos. Ich versuche, zu rekonstruieren, was wir in den vergangenen Stunden gesprochen haben. Ja, manches war sicher verwirrend, weil meine freundin viele Menschen aus meiner Vergangenheit gar nicht kennt. Die schwebenden Worte treffen meinen Solar Plexus, unbarmherzig, ehrlich, hart. Ich schlucke.
Zuerst bin ich gekränkt und beleidigt. Man sagt mir ein Erzähltalent nach….meine Geschichten machen müde?? Sie ist noch nicht fertig: sie spricht über Wahrheit und mein ewiges bla bla. Ich bin tief getroffen. Ich spüre, wie sich in mir alles bereit macht zur Flucht. Ich will nach Hause. Mir fallen bruchstückhaft Geschichten ein, die sie mir erzählt hat… über Freunde, Erlebnisse, Familienmitglieder… am liebsten würde ich zu ihr hinüberzischen: „Du erzählst mir auch Geschichten!“
Aber gleichzeitig weiß ich, dass es darum gar nicht geht.
Sie spricht über meine Trägheit, meine verloren gegangene Lebensfreude, meine Weigerung in Bewegung zu kommen, im Außen wie im Innen.
Ich ringe mit der Fassung, versuche den Knödel in meinem Hals hinunterzuschlucken, möchte mir keine Blöße geben, nicht zeigen, wie schwer ich getroffen bin.
„Was macht das mit dir?“. Ich versuche zu antworten. Irgendeine Ausflucht wird es doch geben. Ich bin nicht mehr beleidigt, ich bin zutiefst traurig.
Sie zündet eine Kerze an und fordert mich auf, in die Flamme zu schauen, ohne zu zwinkern. Anfangs ist es gar nicht so leicht, meine Augen wollen ausweichen, doch dann wird es immer ruhiger in mir. Die Traurigkeit weicht zurück und macht einem weichen, warmen Gefühl Platz.
Mein Blick wird weich und sanft…da sehe ich hinter der Flamme eine Tigerkopf. Er ist herrlich gezeichnet. Die Augen sehen mich unverwandt an. Ich muss blinzeln, aber er ist Gott sei Dank noch da. Langsam löst sich das Bild auf. Ich schließe die Augen, die Tränen laufen mir übers Gesicht. In mir ist Frieden.
Heute Morgen geht es mir gut, da ist ein leises Unsicherheitsgefühl, bevor ich zu reden beginne. Ich möchte keine Geschichten erzählen. Ich möchte mich weiter auf den Weg machen und die Freude in mir wieder finden. Nicht nur aufblitzen lassen in besonderen Momenten, sondern sie zum Mittelpunkt meines Daseins machen.

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